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Exorzismus wird in Deutschland häufig praktiziert
Beinahe täglich sollen Priester in Deutschland den umstrittenen Exorzismus praktizieren. Zumindest ein Bistum hat inzwischen zugegeben, dass es Fälle von Teufelsaustreibungen in der Vergangenheit gegeben hat. Dabei, so heißt es, seien immer nur "höchst notleidende" Menschen behandelt worden.
Der Augsburger Bischof Walter Mixa soll nach einem Medienbericht in Bayern einen Exorzisten zur Teufelsaustreibung beauftragt haben. Das meldete der Bayerische Rundfunk unter Berufung auf eine nicht näher genannte Quelle. Nach Aussagen „verschiedener Beteiligter“ werde in Deutschland beinahe täglich ein Exorzismus vollzogen, meist inoffiziell und ohne Wissen der Diözesen.
Allein im Erzbistum Paderborn hat es in den vergangenen acht Jahren drei Fälle von kirchlich begleitetem Exorzismus gegeben, heißt es weiter. „Es ist eine Bitte an Gott um Hilfe“, sagte der Sprecher des Erzbistums, Ägidius Engel, und bestätigte entsprechende Medienberichte. Bei den Betroffenen handele es sich um „seelisch höchst notleidende Menschen“. Konkrete Fälle nannte er nicht, zuletzt habe es 2003 einen Exorzismus in dem Bistum gegeben. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz teilte auf Anfrage mit, über eine bundesweite Übersicht von kirchlichen Exorzismen nicht zu verfügen.
Der Sprecher des Erzbistums Paderborn erläuterte das kirchliche Verfahren: Nach der Prüfung durch erfahrene Seelsorger erstellten Pastoralpsychologen und Psychiater ein Gutachten. Wenn die Gutachter keine psychische Störung feststellen könnten, gebe der Erzbischof die sogenannte Liturgie der Befreiung in Auftrag. „Es ist ein normaler, aber seltener Vorgang“, sagte Engel. Voraussetzung sei eine ständige ärztliche Begleitung. „Wir können nur in Zusammenarbeit mit Medizinern in so schwierigen Fällen tätig werden.“
Seit den Jahren 1999/2000 habe es im Erzbistum Paderborn 18 erstzunehmende Anfragen von Menschen gegeben, die glaubten, vom Teufel besessen zu sein, sagte der Sprecher. Fälle von Exorzismus seien in Frankreich und Italien, vor allem aber in Afrika und Lateinamerika verbreiteter als in Deutschland. „Die Befreiung vom Bösen gehört seit 2000 Jahren zur Kirche“, betonte Engel. „Man beschwört hier nicht schamanisch einen Teufel.“ Bei jeder Taufe werde, wie die Bischofskonferenz betonte, der Schutz des Kindes vor dem Bösen erbeten.
Einem Bericht des Bayerischen Rundfunks vom Montag zufolge räumte das Erzbistum Paderborn erstmals ein, einen bayerischen Exorzisten mit einer Teufelsaustreibung beauftragt zu haben. Dazu sagte Engel: Wenn ein Betroffener einen bestimmten Geistlichen für die Liturgie der Befreiung wünsche, hole sich der Erzbischof eine Expertise über diesen vom entsprechenden Bistum ein. „Es hat viel mit Beichtgeheimnis und Vertrauen zu tun.“
Der Fall ist deshalb so brisant, weil der Exorzismus eigentlich gegen geltendes Kirchenrecht verstößt, wie der der Sprecher des Bistums Eichstätt, Norbert Staudt, feststellte. 1997 sei vom damaligen Eichstätter Bischof Walter Mixa einmal eine Lizenz für einen Exorzismus erteilt worden, die jedoch unter anderem an die Bedingung geknüpft gewesen sei, sich in jedem Einzelfall eng mit der Bistumsleitung abzustimmen und vor Annahme einer Besessenheit alle medizinischen und psychiatrischen Möglichkeiten auszuschöpfen.
Exorzismus ist sehr umstritten. Vor allem seit dem Fall der 1976 nach etlichen Exorzismen gestorbenen Studentin Anneliese Michel aus Klingenberg. Zwei mit den Riten vom Bischof beauftragte Seelsorger wurden 1978 wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt; Bischof Josef Stangl trat daraufhin zurück. Die Verstorbene und ihre Familie hatten sich ärztlicher Hilfe verweigert und allein auf das kirchliche Ritual vertraut.
